BULLETIN FIDACA N. 13, Winter 2004-2005


Liebe Fidaca-Mitglieder,

Das Jahr 2004 ist vorbei und wir haben schon 2005 : wir wollen Sie an den Erfahrungen der letzten Monate teilhaben lassen.

Man kann sagen, dass in 2004 die Aktivität der Fidaca auf die internationale Solidarität fixiert war : seit langem haben wir das Seminar, das im September in Paris stattgefunden hatte, vorbereitet. Es haben sich daraus Überlegungen und Interaktionen ergeben, denen, wie wir hoffen, nicht sobald der Atem ausgeht.

Letztes Jahr im Frühjahr hat die Sekretärin der Fidaca am Kongress der „Union Latino-Américaine des Aveugles“ (Lateinamerikanische Union der Blinden) in Quito/Ecuador und am Seminar der „Femmes Aveugles d’Amérique Latine“ (Blinde Frauen Lateinamerika) teilgenommen. Sie begleitete Frau Ratzel, Repräsentantin des DKBW zu diesem Kongress und man konnte dabei auch den Besuch unseres regionalen Lateinamerika-Büros (Bureau Régional Amérique Latine (BRAL)) in Lima/Peru wahrnehmen. Diese Reise war eine wirkliche Bewusstwerdung der Lebensverhältnisse und Existenzbedingungen auf diesem weit entfernten Kontinent ... nicht nur geografisch weit entfernt ! Sie vermittelt Ihnen in dieser Ausgabe die grundlegenden Aussagen von diesem Kongress (bei dem ungefähr 300 Personen versammelt waren) und dem Seminar der blinden Frauen Lateinamerikas (um die sechzig Teilnehmer).

Schließlich finden Sie ein Schreiben unseres internationalen Seelsorgers mit den guten Wünschen für 2005. 


1/ Internationale Solidarität:
Das Fidaca-Seminar der internationalen Solidarität versammelte am 27. September letzten Jahres 17 Personen der folgenden Vereinigungen : BASüdtirol, CBS England, CECO Spanien, DKBW, MAC, ONA und VoirEnsemble. 
Seit dem Treffen im gleichen Stil wie in Mühlhausen im Jahr 2000, wurde nur wenig bewegt, aber die Personen, die das letzte Mal dabei waren, haben eine gewisse Begeisterung festgestellt, so dass die ausgetauschten Ideen und Absichten nicht nur Worte bleiben werden. 

Die meisten Vorträge der Teilnehmer haben gezeigt, wie komplex das auf den Wegbringen durchführbarer Projekte in Entwicklungsländern ist und dass dies durch bestimmte Richtlinien, die vorab definiert werden, geregelt sein muss. Man kann natürlich feststellen, dass die Vereinigungen dazu tendieren, in den Ländern zu arbeiten, mit denen sie eine lange Gemeinschaft verbindet, das ist ein guter Punkt zur Erleichterung der Verständigung, was nie so einfach ist, da man die Kontinente und die Kulturen durchquert. 

Es steht fest, dass man um am geeignetsten zu sein, um anderen zu helfen, sich hauptsächlich selbst weiterentwickeln muss, bevor man die Entwicklung und das Beispiel an andere heranträgt. Um den Mittellosen ein verantwortungsvolleres Verhalten zu lehren, ohne sie ins Außenseitertum zu stellen, braucht man Reife, die Lebenserfahrung und Begabung an andere weitergibt – kein Mitleid. Man muss sich auch von den kleinen Mitteln inspirieren lassen, die die Partner vor Ort haben und sie aufwerten. Bei der ONA zum Beispiel findet man afrikanische Kreativität, ein Beispiel und eine Quelle der guten Ideen!
Oft führt die Sorge der langfristigen Projekte über die Schulbildung und Ausbildung : unsere Vereinigungen bevorzugen Aktionspläne, die fähige Leute mobilisieren, eine Schulausbildung zu durchlaufen, wobei es vorrangig um einen Erziehungsbeitrag und die Motivation zu lernen geht, damit sie sich wie ein Schneeballeffekt auf allen Bereichen zwischen den Ausbildern und Schülern auswirken.
Doch im Gegensatz zu den erhaltenen Ideen sind die besten Projekte nicht immer diejenigen die das meiste Geld bringen. Man braucht es, natürlich, aber die wesentliche Haltung – die man geschlossen bei den Teilnehmern dieses Seminars wiederfand – ist, dass man nicht „dummerweise“ viel Geld gibt, weil es nicht immer das ist, was die Bittsteller am meisten brauchen. Sollte es trotzdem in Frage kommen, dann ist es wichtig, dass die bereitgestellten Gelder Projekten zugeführt werden, die Einkommen bringen.
Es wurde auch darüber geredet wie man – im Rahmen des Möglichen – eine Grundlage schaffen kann für eine « Süd-Süd » Zusammenarbeit und wie man den Vereinigungen vor Ort helfen kann bei der Kontaktaufnahme in ihrer Umgebung, in ihrem Land und zumindest auf ihrem Kontinent.

Es bleibt noch viel zu tun und viele Ideen müssen noch entwickelt werden damit die blinden Menschen sich selbst als Akteure der Projekte fühlen, die sie durchführen ... aber wir hoffen, dass durch die Interaktion, die wir fortsetzen wollen, die kleinen Samen, die wir in diesem Herbst gepflanzt haben, aufgehen werden.



2/ Erfahrungen aus Lateinamerika : Betrachtungen von Frau Maniero zum Kongress und Seminar

a) Kongress: das Thema des 5. Kongresses der ULAC war « Die Technik als Brücke zur Bildung und Beschäftigung von Blinden in Lateinamerika ». Es versteht sich von selbst, dass es in unserem Interesse ist, die Entwicklungen der Technologie aus der Nähe zu beobachten. Aber vergessen wir nicht, dass für uns alles mit dem Blindenstock begonnen hat und dass die Blindenschrift, die Tafel und der Griffel unsere teuersten Werkzeuge bleiben. Unsere Fähigkeit z.B. den Computer auf die gleiche Weise zu nutzen wie die Sehenden, hilft uns, unseren Wert unter ihnen zu steigern, sollte uns aber in unserem täglichen Leben keine Abhängigkeit schaffen, denn sonst sind wir im Fall eines Ausfalls der Technologie benachteiligt, verloren und wirklich behindert ...
Es ist verlockend, an den « Mythos der Technologie » zu glauben, zu glauben dass das die Lösung für alles ist und die ganze Welt davon profitieren zu lassen. Aber es ist auch wichtig, dieses Hilfsmittel nicht unüberlegt zu verteilen: die Bedürfnisse und Ausbildungs- und Schulbildungsmöglichkeiten der Blinden abzuwägen und zu verwalten ist ein unerlässlicher Schritt. Es genügt nicht, dass die Vereinigungen, die uns helfen, großzügig sind. Es ist unsere Aufgabe diese Mittel rechtmäßig zu verteilen. Wie überall müssen auch wir aufpassen, dass die Technologie die Welt nicht teilt sondern vielmehr ein Bindeglied ist.
Aus diesem Grund – wie auf dem Gebiet der Bildung als auch der Zugang zur Beschäftigung und damit die Technologie tatsächlich eine Brücke ist – ist es äußerst wichtig, die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Personen in ihrem wirklichen Umfeld zu analysieren, bevor man ihnen willkürlich dieses oder jenes Material gibt. 

Halten wir an der scherzhaften Bemerkung des Direktors des Instituts in Chile, Herr Patricio Parada, zu diesem Thema fest: «Zur Konzeption, wir haben keine hochqualifizierte Technologie, aber wir arbeiten trotzdem sehr gut. Ich sage nochmals, dass es nichts bringt, modere Hilfsmittel zu haben, ohne sie auf optimale Weise nutzen zu können.“
Zusammenfassung: es ist sehr gut, Zugang zu der neuesten Technologie zu haben, aber unsere Aufgabe ist es, unsere Fähigkeiten den Mitteln anzupassen, die uns angeboten werden ; das kann einfach lernen sein, beherrschen und praktizieren der Blindenschrift, eine entsprechende Ausbildung machen, mehr kennen lernen wollen ...

b) Seminar der blinden Frauen: dieses Treffen wurde von mehreren Arbeitsgruppen vorbereitet, wobei das bedeutsamste Thema war : « die Doppel-Diskriminierung verstehen und dagegen kämpfen. »

- Äußerste Priorität, um sich gegen die Diskriminierung gegenüber der Welt der Blindheit zu rüsten ist, eine Grundbildung zu erreichen, die dann über die unvermeidliche Integration, die die Gesellschaft erlaubt ein bisschen weiter zu gehen : Universitäten und/oder Hochschulen, die auf Blinde und Sehschwache spezialisiert sind, gibt es nicht ! 

- Das Überbehüten der Mädchen/jungen sehbehinderten Mädchen : ein Verhalten, das in den lateinamerikanischen Familien noch sehr tief sitzt. In Anbetracht der Machomentalität, die auf diesem Kontinent vorherrscht, verstärkt sich das Bild des schwachen Geschlechts um so mehr, wenn die Vertreterinnen des schönen Geschlechts sehbehindert sind, was der Familie Schande bringt. 

- Das Verhalten der Gesellschaft bezüglich der blinden Frau in der Rolle der « Mutter » : auf der ganzen Erde, in allen Gesellschaften wird die Frau ermutigt das Leben weiter zu tragen, zu zeugen und Babys zu haben; leider ist für blinde Frauen das Gegenteil der Fall. Es ist ein Kampf gegen eine sehr ungerechte Diskriminierung … als ob man um Liebe zu geben, Augen haben müsste.

- Im gleichen Zusammenhang mit der Familie : die Situation der Frau, die im Laufe des Lebens blind wird. (Zur Erinnerung: die ULAC – Körperschaft die dieses Seminar organisiert – gehört weder der katholischen Konfession an, noch einer anderen Religion: der folgende Kommentar gibt nur Informationen wieder – ohne Stellung zu nehmen). Eine verheiratete Frau, die im Laufe ihres Lebens blind wird – was gar nicht so selten ist– steht erneut dem Machoverhalten des Lateinamerikaners gegenüber: nicht mehr als angemessene Ehefrau angesehen ist sie oft völlig wertlos, wenn auch nicht misshandelt, hätte sie das Recht die Scheidung einzureichen. Aber dieses Wort ist noch so sehr an den Begriff des Scheiterns gebunden und die Frau ist noch dermaßen von ihrem Ehemann abhängig, dass viele dieses Leid aushalten, verheiratet bleiben ... bis zum Schlimmsten und die Scheidung kommt selten vor.

- Schließlich ist auch die Diskriminierung in Verbindung zur äußeren Erscheinung erwähnt worden, da die Frau und die blinde Frau dabei ebenfalls Opfer sind. In unserer Gesellschaft regieren immer mehr die Kriterien er äußerlichen Werte. Das körperliche Erscheinungsbild, mehr oder weniger durch die Behinderung gezeichnet, überträgt die falsche Meinung über das Scheitern, weniger Fähigkeiten und Erfolg: man muss kämpfen, um die Selbstachtung, die Würde der Frau und die Feinfühligkeit der blinden Frau zu stärken.

Ein ausführlicheres Beispiel dieses Kampfes wird Ihnen in unserer nächsten Ausgabe geschildert: Treffen von Frau Sonia Margarita, eine ecuadorianische, taubblinde Frau, deren Lebensepisoden zum Respekt aufrufen....

3/ Mitteilung von Pater Bordes : « Heute ist Euch ein Retter geboren worden“ ... eine Frohe Botschaft

Diese gute Nachricht ist heute aktuell. Sie hat in der Geschichte der Menschheit von gestern und von heute einen Platz eingenommen. Wie gestern, ist diese frohe Botschaft vornehmlich den Armen und Kleinen verkündet worden und unter ihnen jenen, die ihnen nahe waren, die Hirten, die nicht zu den Bürgern ihres Landes gezählt wurden. Sie waren es, die diese gute Nachricht zuerst erhielten: „Ein Retter ist Euch geboren“ und sie sind es auch, die diese Ankündigung im Volk verbreiten.
Gestern, wartete das Volk auf einen Messias, der käme, um sie aus ihrer Knechtschaft zu befreien und schließlich um jedem, von Gott geliebten Menschen, seine Würde zu geben. Alle erwarteten einen mächtigen Messias und da das nicht der Fall war, war selbst Johannes der Täufer derart besorgt, dass er vom Gefängnis aus seine Jünger schickte, um ihn zu fragen, ob er es wohl wäre, der kommen sollte.
Ist unsere Welt so weit entfernt von den Erwartungen dieses Volkes von einst? Wird endlich jemand Mächtiges auftauchen, um die Kriege, die Armut, den Hass, die Gewalt beenden und eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens einführen?
Gott wird heute in unsere Welt geboren, er ist bestimmt nicht in den Palästen, auch nicht an der Seite derer, die besitzen, aber er steht jenen zur Seite, die sich abmühen, die leiden, Immigranten vor denen wir manchmal Angst haben, „außer Acht Gelassene“ in unseren Straßen und die Liste wäre noch lang. Also von dieser Seite aus gesehen, lädt er uns ein, ihn zu suchen und zu finden. Wir werden demnach sehr empfänglich sein für alle Zeichen, die uns heute gegeben werden, um ihn wie die Hirten zu treffen. Sie haben ihn nicht verpasst. Mit ihnen, denen der nahe war, ist er gegangen um die Gerechtigkeit und den Frieden zu verkünden. Er ist gekommen sich für ein gerechtes Teil der Reichtümer einzusetzen. Erinnern wir uns hier an das Marienlied mit den schönen Worten des Marienlobes. Mit jenen weniger Geachteten kommt er, um von der Liebe Gottes, seines Vaters, und der Hoffnung zu sprechen, die in jedem von uns ist und dazu beiträgt, dass mit ihr eine Welt geboren wird, in der die Menschlichkeit immer wieder geschaffen wird.
Unsere Welt ist nicht so weit von dieser Welt entfernt, die nicht wusste, wo ein Platz für ihn zu finden war. Die Aufmerksamkeit war nicht auf der Seite der Armen, aber bei jedem selbst, um einen Platz zu finden. Zur Beachtung der Kleinen und Mittellosen sind wir also aufgerufen, unsere Blicke zu ändern. Um näher an unsere Menschlichkeit, die von jenen, die nach Gerechtigkeit und Teilen schreien, heranzukommen, sind wir aufgerufen, zu teilenden Armen zu werden und nicht zu gebenden Reichen. Und ich denke hier an dieses afrikanische Sprichwort, über das ich oft und gerne nachdenke: „ Die Hand, die gibt, ist immer über jener die empfängt“.
Ja, unsere Freude wird überschwänglich sein, wenn wir das Wort Gottes durch die Worte jener verstehen, die uns heute bedrängen, uns zurufen, nicht über uns richten, uns verstehen und Glauben finden in der Beachtung, die wir ihnen schenken und in dem bisschen Liebe, das wir ihnen geben. Der Herr ruft uns, richtet nicht, schlägt vor, gibt niemals Anweisungen, ist immer derjenige, der uns sagt: „Wenn du willst ...“.
Es wird also gut sein, dass Gott bei unseren Unternehmen einen Weg bahnt, der uns zu dem führt was wir aus tiefstem Herzen hoffen und das so schrecklich viel unter uns fehlt: der Friede, die Gerechtigkeit und die Freude. Und ich denke hier an diesen Satz von Don Helder Camara : « Wenn ich den Armen gebe, sagt man ich bin ein Heiliger, wenn ich frage warum sie arm sind, sagt man ich bin ein Kommunist. »
« Ein Retter ist Euch geboren worden… » Frohe Botschaft für alle.

Jean Pierre Bordes.

30/12/04 jpb/aar/04/0072

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